Alice ist für die Unterbringung der Workshop-Leitenden und der Suche nach Sponsoren zuständig. Es ist ihr ein grosses Anliegen endlich im offenen Raum über trans* zu sprechen.
Ich bin Alice, eine Frau, 56 Jahre alt. Seit meinem Coming-Out 1992 lebte ich in Aarau Stadt, seit einem Jahr im Rombachtäli (Agglomeration).
Ich weiss nicht so Recht, wie ich meinen Weg beschreiben soll. Ich denke gar nicht mehr so daran, es ist bereits so lange her. Ich habe mich immer als Mädchen gefühlt, wollte Ballerina und Jazz-Tänzerin werden. Nie Pilot oder andere Buben Träume, wie sich das in meiner Familie gewünscht wurde. Somit wurde ich mit aller Gewalt (speziell von meinem Vater) zum Manne erzogen: Habe geheiratet, drei Kinder, Baum gepflanzt usw. Der Klassiker.
Später ging das alles den Bach runter: Nach 10 Jahren Ehe die Scheidung. Meine Ex-Frau meinte, dass eine Frau zu viel im Haus sei, obwohl sie 2 Jahre vor der Hochzeit von meiner Transsexualität erfuhr. Naja, sie wollte halt einfach einen Mann und nicht eine Frau. Wenigsten sind unsere drei Kinder gut gekommen. Sie haben alle eine Ausbildung und stehen mitten im Leben. Mein Kontakt mit ihnen ist momentan leider eher spärlich. 1992 war auf jeden Fall mein Schicksalsjahr: Scheidung, Haus weg etc. Da beschloss ich: ich bin ich und ab jetzt gibt es mich nur noch als Frau! Um Gottes Willen wollte ich nicht mehr Mann spielen müssen. Vor 2 Jahren heiratete ich meine Frau. Ich habe immer noch Schmetterlinge im Bauch.
Es gibt viel Positives, das mir in den Jahren wiederfahren ist. Das wichtigste für mich ist aber, dass ich jetzt voll als Frau akzeptiert bin. Ich bin ganz einfach Frau und bin da nicht stolz drauf. Seit einem Jahr habe ich den richtigen Körper, dass wiederum macht mich stolz. In meinem Leben gab es Suizidversuche, Alkoholsucht, Depressionen ohne Ende. Kein einfaches Leben. Seit Beginn der Hormontherapie geht es mir viel besser. Seit den OPs ist das alles weg und wie verflogen. Das ist sehr schön. Dass ich die ersten 55 Jahre meines Lebens heil überlebt habe, macht mich sehr stolz.
Ich bin jetzt im Grossen und Ganzen glücklich. Möchte im Rest meines Daseins mich der Transsexualität widmen: Meine Erfahrungen und mein grosses Wissen im Bereich Soziales weitergeben. Jeder Freitod oder jede Misshandlungen von Trans*-Menschen lassen mir den Hals anschwellen. Es sind zu viele gescheitert, da muss – ich betone muss – geholfen werden. Und wer kann das besser als die, die dadurch sind und zum Glück noch Leben. Mein Traum ist, dass wir hier in dem proletarischen Aarau irgendwann ein Kompetenzzentrum für Trans*, Schwul, Lesbisch, egal, auch für Normalos haben. Aarau ist durch seine zentrale Lage privilegiert von allen Seiten gut erreichbar zu sein. Das wäre ideal. Ausserdem plane ich meine Workshops und Vorträge aufzunehmen und diese im Netz zur Verfügung zu stellen.
Ich engagiere mich bei der Transtagung, weil wir endlich im offenen Raum über Trans*-sein reden können und es ist mir ein grosses Anliegen das zu fördern. 1992 war das fast unmöglich – ich weiss wovon ich rede – und wir müssen unsere Stimmen jetzt nutzen um möglichst vielen auf ihrem Weg zu helfen.
Vielen Dank, Alice.